AUERHAUS

Bov Bjerg

Theater Ulm

Bühne / Kostüme: Petra Mollerus

Spiel: Stephan Clemens, Marie Luisa Kerkhoff, Christel Mayr, Gunther Nickles, Tini Prüfert, Nils Willers

Premiere: 28. Februar 2020 

Presse

 

Augsburger Allgemeine Zeitung, 2.3.2020

Melancholisch-schöne 80er-Jahre


Auerhahn, Auerochse, Auerhaus. Weil die meisten Bewohner von Faurndau bei Göppingen in den frühen 80ern wenig Englisch konnten, nannten sie ein Haus mitten im Dorf „Auerhaus“. Häufiger klang aus diesem Haus nämlich der Song „Our house“ von Madness, und die jungen Bewohner einer WG selbst nannten ihr Zuhause nach dem Song „our house“. Eine WG ohne Erwachsene, das war damals in der ersten Hälfte der 80er auf dem Land eine außergewöhnliche Sache. Außergewöhnlich ist auch eine Entscheidung des Theaters Ulm , „Auerhaus“ im Podium – inszeniert und fürs Theater adaptiert von Valentin Stroh – von der Riege der (mindestens) Ü30-Schauspieler des Ensembles aufführen zu lassen. Ein Abiturienten-Melodram mit dieser Besetzung – kann das funktionieren? Ja, sogar sehr gut. Die zauberschöne Zartheit zwischen den Worten, das ist eine Fähigkeit, die gerade jene sechs Schauspieler Stephan Clemens, Gunther Nickles, Marie Luisa Kerkhoff, Tini Prüfert, Christel Mayr und Nils Willers „können“.


Vielleicht wirkt die Inszenierung gerade deshalb so atmosphärisch, weil „Auerhaus“ – entstanden nach dem gleichnamigen Roman von Rolf Böttcher alias Bov Bjerg – das Gefühl und die Worte einer vergangenen Zeit feinsinnig spiegelt: Vier Abiturienten, die in das leere Haus von Frieders verstorbenem Großvater ziehen und sich freier fühlen als die anderen Kollegstufenschüler, sie leben in jener Welt, in der für junge Männer die Tauglichkeitsuntersuchung der Bundeswehr, die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung und die Flucht nach Berlin, um sich all dem zu entziehen, wichtige Themen waren. Einer Zeit, in der man im Dorf noch wusste, dass der Apotheker NS-Täter war und hinter vorgehaltener Hand darüber sprach. Das Stück erhebt sich jedoch nicht über die Provinz, wertet sie nicht ab. Es ist wie es ist, das Leben. […]


An Silvester keimt eine leise Ahnung auf, dass nicht währen wird, was wie doch ewig klang. Die Unbeschwertheit wird kein zweites Silvester erleben. Aber so melancholisch-schön und warmherzig, wie die sechs Schauspieler jene Monate erleben lassen, machen sie erwachsene Zuschauer wieder zu den 17-, 18-Jährigen, die sie selbst einst waren. Ein üppiges Bühnenbild braucht es dazu nicht: Petra Mollérus sparsame Ausstattung mit Kühlschrank und Christbaum genügt vollkommen – denn die Geschichte transportiert sich über Emotionen.

Fotos: Jochen Klenk